Die Litauer

Die Völker des Ostraumes   Herausgegeben von Georg Leibrandt 1942

"Die Völker des Ostraumes" ist ein dünnes Heftchen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Es werden viele Völker des Ostens kurz beschrieben, von den Esten bis zu den Krimtataren. 1942, dem Erscheinungsjahr,  waren die meisten Juden in Litauen tot und erst langsam sollte sich Widerstand der Litauer gegen die Deutschen entwickeln. Den Juden ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

Die Sichtweise der damaligen Zeit zu kennen kann nicht schaden, deshalb stelle ich das Buch vor. Auch die deutsche Sicht auf das Judentum ist bemerkenswert und deckt sich großteils mit den Ansichten (über die Juden in LItauen!!) eines Age Meyer Benedictsen aus dem Jahre 1895 (!) . (Veröffentliche ich aber nicht, da der Text zu sehr in nationalsozialistischer Propaganda endet).

 

Die Litauer

Das litauische Volk, das heute in Europa etwa 2,2 Millionen zählt, hat sich aus einer Reihe von Stämmen entwickelt, die im Flußgebiet der Memel saßen. Es hat bereits im 13. Jahrhundert zu festen politischen Formen zu finden vermocht, auf deren Grundlage das Großfürstentum Litauen eine Zeitlang zu einer ausschlaggebenden Macht in Osteuropa wurde, die mit dem Besitz weißruthenischer und ukrainischer Länder Polen und Moskowien die Waage halten konnte. Durch inneren Zwist und den langanhaltenden Kampf mit dem Deutschen Orden geschwächt, verband sich Litauen im Jahre 1386 mit Polen, das mit Hilfe der katholischen Kirche die Führungsschicht und dann das litauische Volk selbst an sich heranzog, um es bald zu einem politisch unbedeutenden Bauernvolk herabzudrücken.
Im Jahre 1929 hatte Litauen ohne das Memelgebiet eine Gesamtbevölkerung von 2171297 Menschen mit einer litauischen Mehrheit von 84%, die sich neben einem geringen Anteil von Letten und Weißruthenen überall aus dem Bauerntum zusammensetzt. Die Juden, Polen und Russen gehören dagegen hauptsächlich zur Stadtbevölkerung. Der Hundertsatz des Judentums — amtlich 7,6% und wahrscheinlich bis 12% war in Litauen wesentlich höher als in Lettland und Estland. Bis zur Eingliederung in die UdSSR, im Jahre 1939 war der jüdische Einfluß auf das litauische Wirtschaftsleben sehr bedeutend, und danach wurden die Juden die eifrigsten Vertreter des Sowjetsystems in Litauen. Die Polen (3,2%) waren am stärksten in den Kreisen Traken, Kauen und Wilkomir vertreten. Ihre Stellung als Großgrundbesitzer und Träger einer „höheren städtischen polnischen Kultur“ dürfte heute so gut wie gebrochen sein. Auch die Russen (2,5%) wohnten größtenteils in den Städten und nur im Nordosten des Landes in kleinen Bauernsiedlungen. Das ehemalige litauische Staatsgebiet trägt also mit Ausnahme der Stadtgemeinden einen ausgesprochen nationallitauischen Charakter.

Dagegen ist das 1939/40 zu Litauen gekommene Wilnagebiet ähnlich wie Lettgallen ein völkisches Mischgebiet. Die Landbevölkerung ist überwiegend weißruthenisch und nur zum geringeren Teil litauisch. Nach litauischer Auflassung müsse man aber in den katholischen Weißruthenen denationalisierte Litauer sehen. Die Stadt Wilna hat demgegenüber im wesentlichen jüdische und polnische Einwohnerschaft, dazu eine unbedeutende, stark unter polnischem Einfluß stehende weiß- ruthenische Kleinbürgerschicht. Vor dem Kriege gab es in Wilna nur etwa 2000 Litauer, deren Zahl in den letzten zwei Jahren auf rund 30 000 gestiegen sein dürfte. Die völkische Vielfältigkeit des Wilnagebiets wird durch die kleine Gruppe der weißruthenisch sprechenden Tataren und der Karaimer noch weiter verstärkt.
Seine europäische Formung hat das Litauertum unter polnischem Einfluß im Zuge der engen Verknüpfung beider Völker durch die Union von Lublin (1569] erhalten, die dem Katholizismus und der Schlachtakultur den Zugang zum litauischen Siedlungsraum ermöglichte. Sogar unter russischer Herrschaft konnte sich der Poleneinfluß auf den litauischen Adel weiter festigen. Die ersten litauischen Regungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die sich in der Förderung des Litauischen durch den Bischof von Schamaiten, Fürsten Giedraitis, und in der Heranbildung einer litauischen Geistlichkeit äußerten, waren noch eng mit den polnischen Bestrebungen verbunden.
In den Polenaufständen von 1831 und 1863 standen die wenigen aktiven litauischen Kräfte gegen das zaristische Rußland. Die Maßnahmen des Zarismus — Abschaffung der Lateinschrift, Druckverbot von litauischen Büchern und Zeitungen, Umbenennung Litauens in „Nordwestgebiete“, Ansetzung russischer Siedler und Kirchenkontrolle — haben nicht zur erhofften Russifizierung geführt, sondern zu einer Weckung des litauischen Widerstandes auf Kosten des polnischen Einflusses. Daher war die Petersburger Unterdrückungspolitik mit ihren Kampfmethoden eine der Hauptursachen zum Emporwachsen einer litauischen Freiheitsbewegung. Viele Litauer zogen sich unter dem Druck der berüchtigten „Ochrana“ (Geheimpolizei) nach Ostpreußen zurück oder wanderten nach Amerika aus. Diese beiden Gruppen hatten ihre starken Rückwirkungen auf die Entwicklung der Lage in ihrer Heimat.
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Durch die Herausgabe litauischer Druckschriften auf deutschem Boden, die über die Grenze geschmuggelt wurden, verstand man die russischen Maßnahmen zu umgehen. In Tilsit erschien von 1883 bis 1886 auch das erste von Basanawitsch gegründete litauische Nationalblatt „Auschra“, das sich ebenso wie die nachfolgenden Zeitungen das Ziel setzte, den Litauern zu zeigen, wer sie seien, wie sie bedrückt würden und wie sie ihre Zukunft sehen sollten.
Träger der litauischen Bewegung in Rußland war die Geistlichkeit, die mit ihrem Einsatz für die Volkssprache und den Katholizismus zur Steigerung des Nationalbewußtseins beisteuerte, und die an den russischen Gymnasien in Litauen — vor allem in Suwalki und Mariampol — erzogenen litauischen Intellektuellen, die an den Hochschulen Verbindung zu den revolutionären Kreisen fanden. Die Studentengruppen in Moskau und Warschau, die sich um die Zeitschrift „Warpas” von Wincas Kudirka (1898) scharten, setzten sich für die wirtschaftliche Besserstellung des litauischen Bauerntums ein und bekämpften den fremden Einfluß.
Mit dem ersten fester umrissenen politischen Programm trat die 1896 gegründete litauische sozialdemokratische Partei auf, der die völkisch entschiedenen Nationalisten „Tautininkai" unter Antanas Smetona folgten. Allen diesen Bemühungen fehlte jedoch die klare Linie. Die politisch regsamen Emigranten, die in sich selbst wurzellos waren, fanden in Litauen noch keinen rechten Widerhall, weil eine litauische Schicht in den Städten fehlte und der Zugang zum Bauern nur schwer zu gewinnen war.
Daher hat die Revolution von 1905 auf litauischem Volksboden nicht zu den Ausbrüchen wie in den anderen baltischen Ländern geführt. Sie brachte aber mit der Aufhebung des Druckverbots und der Zulassung der litauischen Sprache an Privatschulen gewisse Erleichterungen, Die einzigen politischen Forderungen, die sich auf die Gewährung einer Kulturautonomie und auf den Anschluß des Gouvernements Suwalki an die litauischen Verwaltungsgebiete erstreckten, wurden von dem in Wilna am 4, Dezember 1905 zusammengetretenen litauischen Nationalrat erhoben.
Der Weltkrieg erst stellte auch die litauische Bewegung vor eine völlig neue Lage. Die Organisationen in der Schweiz
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und in Schweden, vor allem aber die Amerikalitauer hatten nunmehr Gelegenheit zu starker Wirksamkeit. Der Propagandatätigkeit der vermögenden litauischen Auswanderer in den USA. ist es zuzuschreiben, daß die litauischen Wünsche im entscheidenden Augenblick von Washington unterstützt wurden. Das bewährte sich besonders, als es galt, den von Paris begünstigten Anschlußbestrebungen der Polen entgegenzutreten. 
Bestimmend für das Schicksal des litauischen Volkes waren jedoch die Kräfte, die sich in Rußland und auf dem von den deutschen Truppen besetzten litauischen Gebiet zusammenfanden. Die Hilfskomitees der Litauischen Flüchtlinge in Petersburg und Woronesch forderten bereits am 11. Februar 1917 in einer Geheimsitzung das Selbstbestimmungsrecht. Auf der Tagung des Litauischen Nationalrates in Petersburg vom 27. Mai bis 3. Juni 1917 wurden diese Bestrebungen zum Ruf nach einem unabhängigen litauischen Staat gesteigert, wovon sich nur die Linksparteien ausschlossen, die bei einer Autonomie im Rahmen des föderativen Rußlands verbleiben wollten. Am 16. bis 17. November 1917 wurde in Woronesch der Oberste Nationalrat der Litauer in Rußland geschaffen, dessen Tätigkeit zwar durch die Bolschewisten bald unterbunden wurde, dem es aber gelang, seine Organisation dem neuen Litauen zuzuführen.
In dem besetzten Gebiet war durch den Oberbefehlshaber Ost am 2. Juni 1917 die Bildung eines litauischen Vertrauensrates genehmigt worden. Der sich daraus entwickelnde Ausschuß berief eine Konferenz der Vertreter aller Volksschichten und Parteien nach Wilna ein, die vom 18. bis 22. September 1917 unter dem Vorsitz von Basanawitsch auch ihrerseits die Bildung eines unabhängigen litauischen Staates forderten. Dabei wurde der Landesrat „Taryba“ aus 20 Mitgliedern mit Smetona an. der Spitze gewählt. Die sogleich aufgenommene Zusammenarbeit mit Deutschland führte am 29. November 1917 zur Selbständigkeitserklärung Litauens durch den Reichskanzler Grafen Hertling und am 11. Dezember 1917 zur Bekanntgabe der Wiederherstellung des unabhängigen litauischen Staates mit der Hauptstadt Wilna. Das neue Litauen sollte entsprechend dem damals vom Deutschen Reich vertretenen monarchischen Grundsatz durch die Wahl des Herzogs von Urach zum König
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eng mit Deutschland verbunden werden. Doch stellte der Zusammenbruch des Reiches auch Litauen vor neue Schwierigkeiten.
Mit deutscher Hilfe gelang der Aufbau eines litauischen Nationalheeres, das Litauen bis zum 30. August 1919 von den Roten Truppen zu säubern vermochte. Wilna wurde am 15. Juli 1919 befreit. In dem am 12. Juli 1920 in Moskau abgeschlossenen Friedensvertrag haben die Sowjets die Hauptstadt Wilna ausdrücklich den Litauern zugesichert. Es war eine Ironie des Schicksals, daß das litauische Volk seine Hauptstadt erst 1939 aus den Händen der Bolschewisten um den Preis seiner Selbständigkeit erhalten hat. Denn entgegen dem litauisch-polnischen Vertrag vom 7. Oktober 1920 in Suwalki wurde Wilna zwei Tage danach durch Handstreich des Generals Zeligowski an Polen gebracht.
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