Vabalninkas

Ansicht von Vabalninkas

Hauptstraße in Vabalninkas

 

Vabalninkas ist ein Dörfchen südlich von Birzai mit ca. 800 Einwohnern. Erwähnenswert ist die, wie in vielen litauischen Dörfern, völlig überdimensionierte Kirche von 1817 und der danebenstehende Glockenturm. Es gibt ein von Privatleuten gestiftetes Denkmal, einen sowjetischen Soldatenfriedhof und ein Heimatmuseum. Auch den alten Judenfriedhof kann man besichtigen.
Als die Deutschen am 27.6.1941 Vabalninkas einnahmen, lebten dort noch 600 Juden, die im August alle in Pasvalys (knapp 30 km westlich) ermordet wurden. (Über den jüdischen Friedhof.)

Vabalninkas Kirche Maria Himmelfahrt 

Die katholische Kirche Maria Himmelfahrt

 

Vabalninkas   Glockenturm

Der Glockenturm

 

Sela Birzai Vabalninkas  Museum

Heimatmuseum Vabalninkas. Eine Filiale des Sela Museums Birzai

 

Das kleine Heimatmuseum ist eine Filiale des Sela Museums in Birzai. 2023 hörte ich, dass es nun in Vabalninkas eine Ausstellung gäbe, die an die in der Region lebenden Juden erinnern sollte. Denn, obwohl die Mehrheit der Stadtbewohner um 1900 in Birzai und Vabalninkas Juden waren, kamen sie in den Museen quasi nicht vor. Im sehr großen Sela Museum in der Birzaier Burg gibt es bekanntlich nur eine kleine Vitrine mit ein paar Büchern und einem Thora Fragment. Kein Hinweis, warum es in Birzai zwar einen der größten Judenfriedhöfe gibt, aber keine Juden. 

Sela Birzai Vabalninkas  Sommersynagoge   Wintersynagoge Vabalninkas

Links die Sommersynagoge, rechts die Wintersynagoge

 

Traum Vabalninkas Skulptur

Eine privat finanzierte Skulptur "Traum" im Zentrum

 

Vabalninkas  Sowjetischer Soldatenfriedhof

Der sowjetische Soldatenfriedhof

 

Die Ausstellung in Vabalninkas entpuppte sich aber als herbe Enttäuschung mit einem Konzept, das historisch fast auf dem litauischen Stand der früher 1990er Jahre ist. Neben den Ausstellungsstücken die zu einem Heimatmuseum gehören, hat das Museum eine Tafel vor das Museum gestellt, auf der einige Fotos mit jüdischem Hintergrund sind. Im Museum gibt es Fotos von ehemaligen jüdischen Bewohnern Vabalninkas. Die Beschriftungen der Bilder sind alle auf Litauisch.

Vabalninkas Sela Museum

Ausstellungsräume

Bilder Keller Vabalninkas Museum

Arrangement...jüdische Einwohner von Vabalninkas

Antiquitäten Vabalninkas

Dinge, die jeder Litauer vom Dorf kennt

Vabalninkas Räume im Museum Litauen

Volkskunst

Um zu visualisieren, dass den Juden Gewalt widerfahren ist, gibt es ein großes Poster, auf dem Bürger von Vabalninkas auf dem Marktplatz zu sehen sind. Anfang des 20. Jahrhunderts. Eine Ton und Lichtinstallation soll den Einmarsch der Nazis mit Flugzeuglärm und Bomben schildern.

Gefahr Vabalninkas

Die Videoinstallation, Menschen auf dem Markt von Vabalninkas


Was wirklich mit dem deutschen Einmarsch passierte, was die litauischen Partisanen (laut YadVashem) am 27.6.1941 mit 86 Juden in Vabalninkas anstellten, was mit dem Besitz der Juden passierte, was im Ghetto oder in Pasvalys, wo die Juden (von wem??) erschossen wurden, das wird nicht erwähnt. Wer hat den Deutschen gezeigt, wo die litauischen Juden wohnten? Wer hat diese abgeholt und bewacht? Hat man versucht die jüdischen Frauen und Kinder zu schützen? (Dazu eine interessante Infotafel auf dem jüdischen Friedhof).

Gefahr durch Bolschewismus Vabalninkas

Und nun wieder zum Wichtigen: die sowjetische Besatzung

 

Das Museum wurde gerade erst umgestaltet und ist kein Ruhmesblatt für Birzai. In anderen litauischen Städten geht man mit der Aufarbeitung der litauischen Vergangenheit offener um. Rokiskis hat beispielsweise eine moderne Ausstellung.

Die Bilder von Juden und die Videoinstallation reichen nicht aus, um die Geschichte der litauischen Juden zu behandeln. Und da kommen natürlich Fragen auf, warum das genau so gemacht worden ist. Die Museumsleitung vom Sela Museum in Birzai hat das Thema der litauischen Kollaboration mit den Nazis und die Ermordung der litauischen Juden seit Jahren vernachlässigt. 

Tatsächlich geht es nach der Videoinstallation wieder zu wirklich Wichtigem (in den Augen der Sela Verantwortlichen). Es folgt die sowjetische Okkupation mit einem Roten Stern, reichlich litauische Partisanen, die gegen die Besatzer kämpfen und noch eine Videoinstallation über die Ermordung der Litauer durch die Sowjets.

Partisanen Vabalninkas  Sela Birzai

Videoinstallation "Partisanen"

 

Litauer werden hingerichtet Vabalninkas

Figuren von inhaftierten Partisanen. Oben Fenster, durch die man KGB Leute sieht

 

Dafür hat das Museum im Keller ein Gefängnis nachgebaut, in dem Partisanen hinvegetieren und sich auf Litauisch unterhalten. Durch die kleinen Fenster sieht man die Soldatenstiefel der Sowjets marschieren und ahnt die Erschießung der litauischen Gefangenen.

 

Litauische Gewichtung von Geschichte. Zumindest in Birzai. Schade!

 

Christoph Dieckmann beschreibt in seinem Klassiker "Deutsche Besatzungspolitik in Litauen" auf Seite 813 deutlich, warum die Darstellung der Geschichte im Sela Museum in Birzai sowie in Vabalninkas ungenügend ist:

"Kreis Biržai

Die jüdische Gemeinde von Biržai wurde noch früher ausgelöscht. Am 8. August 1941 ermordeten unter der Leitung des Rechtsanwalts und späteren Gebietsrats Požėla litauische Polizisten aus Šiauliai, 30 Aufständische aus Linkuva, 50 Polizisten und Aufständische aus Biržai 900 jüdische Kinder, 780 Jüdinnen und 720 Juden im Wald Astravas, 3,5 km nördlich des Städtchens. 

Die 2.500 Opfer waren am 26. Juli 1941 in ein Ghetto in der Stadt gesperrt worden.
In den Amtsbezirken des Kreises konzentrierte man die Juden an bestimmten Orten. So mussten sich zum Beispiel im Amtsbezirk Pasvalys 2.200 jüdische Opfer aus den Dörfern der Umgebung versammeln: aus Joniškėlis, Saločiai, Vaškai, Vabalninkas und Pumpėnai. Zuerst wurden Juden in eine Scheune gesperrt und dann in einem nahen Wäldchen an zwei Tagen durch die dritte [litauische] Kompanie des 1. Schutzmannschaftsbataillons ermordet. Die überlebende Sheina Gertner aus Vabalninkas erzählte, dass sie am 20. August 1941 in Pasvalys zusammengepfercht wurden. Sie hätten ihr Haus mit einem Koffer und Essen für drei Tage verlassen müssen. Es hieß, sie kämen in ein Arbeitslager. 

Als sie sich am 26. August 1941 in der örtlichen Schule für die vermeintliche Busfahrt ins Lager fertigmachen sollten, warnte sie ein alter Priester, dass sie erschossen werden sollten. In wilder Flucht durch das Städtchen überlebten Sheina und ihr Mann. Das Kriegsende erlebten nur drei Juden aus dem Amtsbezirk Pasvalys.
Insgesamt starben im Kreis Biržai über 5.600 Juden, über 200 Litauer und 27 Russen. Nach der Vernichtung der jüdischen Gemeinde in Biržai am 8. August und derjenigen in Rokiškės am 15./16. August ermordeten Deutsche und Litauer eine Woche später im regionalen Zentrum, in Panevėžys, die bis dahin größte Zahl an Juden.
Die sowjetische außerordentliche Kommission fand dort drei Massengräber mit 2.490 Opfern; außer den genannten noch 90 Litauer. Am jüdischen Friedhof fand man Gruben mit 20 jüdischen und zehn litauischen Opfern. 
In Vabalninkas war Mitte Juli 1941 ein erstes offenes Ghetto eingerichtet worden. Vgl. Encyclopedia of the Ghettos, Bd. 2, S. 867. Dort sollen zwischen 40 und 70 Juden zum Christentum konvertiert sein, was ihnen jedoch nicht das Leben rettete."

 

 

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